Wann haben Sie zuletzt eine Banane aus Mitleid mit ihr gekauft? Eine Ende letzten Jahres erschienene Studie zeigt, dass wir Mitleid mit Bananen empfinden können und dass uns dieses Mitleid zum Kauf animiert. Klingt absurd? Ist aber zutiefst menschlich und der Grundpfeiler des Fundraisings.
Stellen Sie sich vor, Sie laufen samstags durch den Supermarkt, weil Sie noch die letzten Einkäufe für ein Familienessen besorgen müssen. Zu Beginn laufen Sie durch die Obstabteilung. Eigentlich brauchen Sie nur noch ein paar Birnen für den Nachtisch (Birne Helene soll es werden). Doch dann schaut Sie eine einzelne Banane mit großen traurigen Augen an. Einst war sie mit ihren Brüdern und Schwestern in einem Büschel vereint. Doch das Schicksal hat sie von den anderen getrennt und zur Single-Banane gemacht. Niemand will sie kaufen, denn eine einzelne Banane ist nicht praktisch. „Bitte“, schnieft die Banane in Ihre Richtung. „Kauf mich. Auch ich möchte ein neues Zuhause haben und nicht übers Wochenende im dunklen Supermarkt liegen müssen.“
Könnten Sie an dieser armen, einsamen Banane vorbeigehen??
Viele Menschen können das nicht, weil sie Mitleid mit der Banane bekommen. Das haben Wissenschaftler:innen der University of Bath, der RWTH Aachen und der Goethe-Universität Frankfurt herausgefunden. Sie beobachteten das Kaufverhalten von 3.810 Rewe-Kundinnen und Kunden über einen Zeitraum von 192 Stunden (das nenne ich mal praktische Marktforschung :-) ). Am Bananenstand gab es einen Korb mit Single-Bananen, die entweder mit einem neutralen Schild versehen waren („Auch Single-Bananen möchten gekauften werden“) oder mit einem „emotionalen“ Schild. Diese gab es in zwei Varianten: Bananen mit einem traurigen Gesicht und der Aufschrift „Wir sind traurige Singles und möchten auch gekauft werden“ und Bananen mit einem fröhlichen Gesicht und der Aufschrift „Wir sind glückliche Singles und möchten auch gekauft werden“. Die „glücklichen“ Singles steigerten den Verkauf um 5% gegenüber den neutralen Bananen - immerhin. Von den traurigen Singles wurden dagegen 58%(!) mehr gekauft.
Aus dieser Studie können wir einiges fürs Fundraising lernen:
Man muss sich das auf der Zunge zergehen lassen: Wir können Mitleid mit Bananen empfinden! Der Trick ist, dass den Bananen ein Gesicht gegeben wurde. Ein Ding(!), das Augen hat, wird sofort vermenschlicht und wir reagieren sozial. Das unterscheidet uns von allen anderen Lebewesen. (Die Studie wurde übrigens noch mit Tomaten wiederholt und das hat ebenso funktioniert.)
Daraus leitet sich ab: Emotionen beeinflussen unsere Entscheidungen stärker als das klügste Argument.
Das wissen die meisten Fundraiser:innen und dennoch wird in der Kommunikation oft stärker auf Informationen gesetzt als auf Gefühle. Denn unser Selbstverständnis ist das des rationalen Wesens, des Dichters und der Denkerin, des aufgeklärten Menschen von Kant bis Dr. Sommer.
Das weiß jeder, der schon mal ein dramatisches, auf Not und/oder eine Katastrophe fokussiertes Mailing verfasst hat. Je größer das Mitleid, desto höher die Spendenresponse.
Auch wenn Mitleid den stärkeren Handlungsimpulse auslöst, kann es dem Fundraising langfristig schaden.
Zunächst noch eine methodische Schwäche der Studie: Auf den Schildern der glücklichen Bananen stand nicht „Mach mich glücklich, indem du mich kaufst“, sondern die Bananen waren schon glücklich. Es ist sicher schön, glückliche Bananen zu kaufen, noch schöner wäre es gewesen, Bananen glücklich machen zu dürfen. Das ist auch fürs Fundraising wichtig: Ohne Problem, keine Spenden. Das heißt, wann immer ein Mailing positive Emotionen in den Fokus setzt („Emma kann wieder lachen, weil ….“), muss klar werden, dass Emma nur dank Spenden wieder lachen kann – und sonst nicht. Oder dass Emma nicht alleine ist, sondern es noch weitere Kinder gibt, die erst noch lachen wollen.
Noch wichtiger ist aber die grundsätzliche Strategie: Ein Supermarkt hat vor allem das Ziel, den Absatz zu steigern. Der Wettbewerb ist hart und jeder zusätzliche Verkauf zählt. Die meisten Menschen gehen dort einkaufen, wo es am nächsten oder am billigsten ist. Kundenbindung wird weniger über eine emotionale Bindung erreicht, sondern über Apps, die Rabatte versprechen.
Den Umsatz von Bananen zu steigern, indem man Mitleid provoziert, ist für einen Supermarkt ein probates Mittel. Eine NGO, die nur auf Mitleid als Emotion setzt, bleibt in dieser „Abverkaufslogik“ stecken. Denn emotionale Bindung (wichtig fürs Fundraising, das keine Waren oder Dienstleistung anzubieten hat) wird über Freude erreicht. Wir möchten, dass die Welt eine bessere wird und vertrauen Organisationen, die uns beweisen, dass sie das tun und uns die Möglichkeit zur Mit-Freude geben. Mitleid wirkt, aber immer nur kurzfristig.
In diesem Sinne: Haben Sie beim nächsten Einkauf ein Herz für Single-Bananen und machen Sie sie glücklich, indem Sie sich um sie kümmern und ihnen ein Zuhause geben (erst im Obstkorb, dann im Magen ;-) ). So gestärkt können Sie dann Ihr Fundraising au nachhaltige Füße stellen.
Gerecht, S., Eckmann, L., Wentzel, D. & Landwehr, J. (2024), "Anthropomorphic sad expressions reduce waste of “single” imperfect food“, Psychologie & Marketing, 1–15
(abrufbar unter: https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/mar.22145)